Es ist Zeit, dass wir uns von Lake Michigan verabschieden. Von jetzt an geht es zügig nach Westen. Vor uns liegen drei Tage Fahrt, um den Yellowstone Nationalpark zu erreichen. Die meiste Zeit werden wir der Interstate 90 (I90) folgen, eine der durchgehenden Highways, die den Kontinent von Ost nach West durchqueren.
Erst einmal führt die Strecke durch Wisconsin, eine hügelige Landschaft mit sehr vielen Seen und landwirtschaftlichen Betrieben. Die Gegend hier erinnert uns an Südschweden.
Dann erreichen wir den Mississippi, der grösste Fluss der USA, der das Land von Nord nach Süd durchläuft. Selbst hier im Norden bildet er eine breite Flusslandschaft. Wir überqueren den Mississippi über Brücken und Dämme. Leider zeigt sich das Wetter nicht von der freundlichen Seite.

Auf der anderen Seite des Fluss erreichen wir Minnesota. Hier wird das Land flacher und weiter. Wir fahren durch endlose Felder mit Mais und Getreide, und vereinzelte Höfe, die das Land bewirtschaften. Unsere Fahrt wird nur unterbrochen von kurzen Stopps für Nachschub, ein Sandwich für uns und Benzin für das Auto.

Zur Nacht haben wir uns in einem Reisekasse schonenden Motel in der kleinen Stadt Sibley eingebucht. Hier dominiert die Landwirtschaft, und das flache Gebäude des Motels steht im Schatten von riesigen Getreidesilos. Es wird von einem älteren, indischen Paar betrieben. Wir werden sehr freundlich empfangen und mit Tipps versorgt, wo es etwas zu Essen gibt. Das Zimmer ist einfach aber sauber und hat alles, was es braucht. Außer uns wohnt hier eine Gruppe lateinamerikanischer junger Männern, die für den Aufbau einer landwirtschaftlichen Anlage hier sind. Wieder einmal kommen viele Kulturen zusammen.
Für den Abend entscheiden wir uns für das Steak-House, das unsere Gasteltern empfohlen haben: 1015 Steak Company. Vor dem Restaurant stehen mächtige Pickup-Trucks. Diese Art von Autos fährt man, wenn man in dieser Gegend wohnt. Wir setzen uns an die Bar und werden von einer älteren Dame bedient. Als sie uns das Bier bringt, kommen wir ins Gespräch. “I am curious. Where are you guys from; and what brings you to this wasteland?” fragt sie. Wir erklären ihr, dass wir auf einer 12-Wochen USA-Tour sind. Und Sibley lag passenden für einen Zwischenstopp auf dem Weg nach Westen. Jetzt sind wir neugierig. Kommt sie aus dieser Region? Sie erzählt gerne, dass sie mit ihrem Mann eine Catering-Firma betreibt, mit der sie umliegende Feste und Veranstaltungen versorgen. Ihr Sohn, der eigentlich Jura studieren wollte (oder sollte – das wurde uns nicht ganz klar) hat vor vielen Jahren statt Studium dieses Steakhouse aufgemacht. Und vor 5 Jahren hatte er seine Mutter angerufen. Der Mann für die Bar sei nicht mehr zum Dienst erschienen. Ob sie helfen kann? Seitdem steht sie hinter der Bar, zumindest am Wochenende. “And I am loveing it!” fügt sie schmunzelnd hinzu, voller Stolz auf das florierende Familienunternehmen. Wir plaudern noch über dies und das an diesem unterhaltsamen Abend in Sibley.
Am nächsten Tag erreichen wir South Dakota und überqueren den Missouri, den westlichen Fluss, der weiter südlich in den Mississippi mündet. Am Ufer steht ein Besucherzentrum, wo wir kurz anhalten. Hier steht die Dignity-Statue, eine 17 m hohe Figur einer Indianerin, die zu Ehren der Lakota- und Dakota-Stämme geschaffen wurde.

Im Besucherzentrum wird die Geschichte der Lewis und Clark-Expedition von 1806 gezeigt. Es war die erste amerikanische Überlandexpedition vom Osten bis zur pazifischen Küste. Die Expedition hatte hier an dieser Stelle zweimal das Lager aufgeschlagen. Die Expedition brauchte zwei Jahre für die Reise zum Pazifik und zurück. Trotz der Begegnung mit einigen unbekannten Indianerstämmen ist sie weitgehend friedlich verlaufen. Wir sind beeindruckt von den Exponaten und Erklärungen.
Vom Besucherzentrum aus hat man einen fantastischen Überblick über den Missouri und die Landschaft auf der anderen Seite.

Nach der Überquerung des Missouri fahren wir durch Prärieland, den Gras-bewachsenen Great Planes. Hier gibt es kaum noch landwirtschaftliche Nutzung. Die Höhe steigt langsam aber stetig, erst 300, dann 400 und bald 500 Meter.

Je weiter wir nach Westen kommen, desto höher steigt die Ebene und desto einsamer werden die Strassen.

Nach einigen Stunden überfahren wir eine weitere Zeitzone. Wir bekommen wieder eine Stunde geschenkt und sind jetzt in der Mountains Timezone mit 8 Stunden Abstand zu Deutschland. In der Ferne tauchen inzwischen schneebedeckte Berge auf, erste Anzeichen der nördlichen Ausläufer der Rocky Mountains. Irgendwo dort wartet unsere nächste Übernachtung auf uns.

Wir sehen viele rote Felsformationen, wie wir sie von alten Western-Filmen kennen. Passend dazu weiden Viehherden auf den großen Grasflächen. Die endlose Fahrt durch die Einsamkeit und die beeindruckende Landschaft haben einen meditativen Charakter.

Gegen Nachmittag fahren wir in eine Regenzone hinein. Mit der zunehmende Höhe wird es auch immer kälter. Das Wetter ändert sich schnell. Wir erreichen die Berge und klettern immer höher zu unserem heutigen Ziel in Hill City in etwa 1700 m Höhe. Hier kommen wir bei Schneetreiben und Temperaturen unter 0 Grad an. Zwischendurch haben wir Sorgen, ob unser Dodge den Aufstieg im Schnee schafft, aber dann klappt alles gut. Wir sind froh, als wir das Ziel erreicht haben.
Am nächsten Morgen zeigt sich wieder die Sonne, allerdings bei eisigen Temperaturen. Jetzt können wir uns Hill City in der Morgensonne anschauen: Eine kleine Bergstadt mit Western-Feeling.

Der strahlende Sonnenschein kommt gerade rechtzeitig für ein weiteres Highlight unserer Reise: das Mount Rushmore Monument. Die kurze Fahrt dorthin führt durch eine wunderschöne Bergstrecke mit herbstlichen Bäumen und dem ersten Schnee. Das farbige Laub leuchtet in der Sonne.

Und dann sehen wir schon von Weitem die Portraits der 4 Präsidenten, die in Überlebensgröße in den Fels gesprengt und gehämmert wurden. Natürlich kennen wir das Monument von zahllosen Bilder, aber die Besichtigung der Felsen in natura ist trotzdem sehr beeindruckend. Wir sind begeistert!

Nach dem Besuch des Monuments fahren wir wieder weiter nach Westen. Wir erreichen bald Wyoming, der bervölkerungsärmste Bundesstaat der USA. Wir fahren noch einige Stunde entlang der I90 nach Westen. Die Landschaft ist weit und kahl, die Strassen für europäischen Verhältnisse unglaublich leer. Wir bleiben durchgehend auf einer Höhe von 1500 m. Im Nordwesten von Wyoming biegen wir dann auf eine etwas kleinere Strasse ab, die durch die Berge zu unserem nächsten Ziel, der Stadt Cody, östlich vom Yellowstone Park führt. Dabei durchqueren wir den Bighorn National Forrest mit einer einsamen Passtrasse, die auf einer Höhe von 3200 m den Gebirgszug überquert. Zum Glück ist das Wetter zwar knackig kalt aber sonnig und trocken, so dass wir keine Probleme haben. Das wäre beim dem Wetter gestern viel schwieriger geworden.

Müde von der langen Fahrt, der Kälte und der Höhenluft erreichen wir Cody, eine Stadt mit 9000 Einwohnern. Von hier sind es noch 50 Meilen bis zum East-Gate des Parks. Das Stadtbild von Cody erinnert an den Wilden Westen. Eine Hauptstraße mit Geschäften und Restaurants, einige davon mit Fassaden, die aus alten Filmen stammen könnten. Ein Hotel und Restaurant, das im Saloon-Stil eingerichtet ist. Irgendwie sympathisch. Wir finden schnell einen Ort zum Essen. Morgen geht es dann endlich in die Natur des Yellowstone Parks.
Wir sind froh, dankbar und fühlen uns behütet, dass die Reise von Ost nach West bis hierher so gut geklappt hat. Und sind sehr gespannt auf die nächsten Tage in der Natur.

Wir lernen und lernen…
Gesehen haben wir die Bilder der Präsidenten-Köpfe auch auf Bildern. Aber nun, nach dem Lesen des Berichtes, kam die Frage auf einmal auf: Warum diese vier Präsidenten. Nach Wikipedia:
“Vier Köpfe, die bis zur Zeit seiner Erstellung 1941 als am bedeutendsten und symbolträchtigsten geltenden US-Präsidenten.”
Die Passstraße in 3.200 m Höhe stellt sich auf dem Foto dar wie ein Tal mit Hügeln umgeben.
🙂