Flüstern aus der Vergangenheit: Petrified Forrest

Wir verlassen Flagstaff und fahren nach Osten. Unsere nächste Übernachtung ist Holbrook, eine kleine Stadt im Navajo-Gebiet im Osten von Arizona. Wir fahren auf der Interstate 40, die früher die Route 66 war. Auch Wyatt (Captain America) und Billy sind einen Teil dieser Strecke mit ihren Motorrädern im Kultfilm “Easy Rider” gefahren. Von der Historie ist auf der modernen, vierspurigen Autobahn aber nichts mehr zu sehen. Immerhin gibt es in Holbrook noch einen Abschnitt der alten Straße. Abgesehen davon besteht der Ort aus einer wenig ansehnlichen Ansammlung von Gebäuden um die zentrale Straße gruppiert. Dahinter können wir die endlose Weite Arizonas erahnen.

Die Route 66 führt durch Holbrook
Die Route 66 führt durch Holbrook

Interessant ist das Wigwam-Motel, wo Übernachtungen in indianischen Tipis möglich sind. Bei näherem Hinsehen wird aber klar, dass die Tipis aus Beton gebaut und mit Klimaanlage ausgerüstet sind.

Wigwam-Motel in Holbrook
Wigwam-Motel in Holbrook

Zum Abendessen wird uns ein italienisches Restaurant vorgeschlagen, das Mesa. Als wir dort ankommen, erleben wir einen überraschenden Stilbruch mit dem Wilden Westen: Es ist tatsächlich ein schönes Restaurant mit gepflegtem Mobiliar, Bildern vom Garda-See an den Wänden, leichter Jazz-Musik im Hintergrund und einer richtig italienischen Speisekarte. Die ist eine willkommene Abwechslung nach Wochen mit amerikanischen Burgern und Sandwiches. “We felt like Italian tonight, and surprisingly had an excellent meal!” ist ein Kommentar auf TripAdvisor. Das haben wir auch so erlebt.

Der eigentliche Grund für unsere Fahrt nach Holbrook ist wieder ein Nationalpark, der Petrified Forrest, was sich als “versteinerter Wald” übersetzen lässt. Der Park liegt in einer Wüstenregion auf 1800m Höhe. Wir erreichen den Park von Norden und begegnen zuerst einer Region, die Painted Desert (bemalte Wüste) genannt wird. Die Hügellandschaft vor uns erstrahlt in roten, braunen, gelben und weißen Farbtönen.

Painted Desert im Petrified Forrest National Park
Painted Desert im Petrified Forrest National Park

Hier gibt es das Painted Desert Inn, eine historische Raststätte und Herberge aus den Zeiten der Route 66. Heute befindet sich im Inneren des Gebäudes eine Ausstellung über die damalige Zeit. Sehr informativ!

Painted Desert Inn an der ehemaligen Route 66
Painted Desert Inn an der ehemaligen Route 66

Weiter südlich erreichen wir die Blue Mesa, eine Eben mit einer Sandstein-Abbruchkante, die wieder in vielen Farben leuchtet. Hier herrschen dunklere und blauere Töne vor.

Blue Mesa
Blue Mesa. Die farbige Abbruchkante an der Hochebene zeigt sich in dunkleren Töne.

Ein besonderes Merkmal des Petrified Forrest Nationalpark sind die interessanten Einblicke in die Geschichte der Erde und der Kontinente. Die Parkleitung nennt die vielen indirekten Hinweise “whispers from the past“. In der Hügellandschaft finden sich versteinerten Baumstämme, die dem Park seinen Namen gegeben haben. Es ist ein erstaunlicher Anblick! Stellenweise sieht es aus, als wenn ein Sägewerk eine Menge Abfallholz zwischen den Hügeln verteilt hätte.

Versteinerte Baumstämme im Petrified Forest
Versteinerte Baumstämme im Petrified Forest

Aber wie kommen Bäume hier in diese karge Wüste? Auf Schautafeln gibt es eine wissenschaftliche Erklärung: Diese Region lag zu Zeiten des Urkontinents Pangaea in einer fruchtbaren Region in der Nähe des Äquators. Die Bäume standen an einem Flusslauf. Die Baumstämme fielen in den Fluss, wurden von silikat-haltigem Wasser überflutet und nachfolgenden Gesteinsschichten überdeckt. Im Laufe von Jahrmillionen wurden die pflanzlichen Strukturen des Holz durch Mineralien ersetzt. Mit Hilfe der Kontinentalverschiebung gelangten die versteinerten Bäume in den Norden und wurden durch Auffaltung der Kontinentalplatten auf die heutige Höhe gebracht. Schließlich machte die Erosion ihre Arbeit und spülte die weicheren Gesteinsschichten weg, so dass die harten, mineralisierten Baumstämme freigelegt wurden. Die holz-artigen Farben haben aber nichts mit Holz zu tun, sondern stammen von Eisen- und Mangan-Mineralien.

Zerbrochene Baumstamm im Petrified Forrest
Es sieht fast aus wie Abfallholz vom Sägewerk: Zerbrochene Baumstamm im Petrified Forrest

Und es gibt noch mehr “whispers from the past“. Im Park wurden umfangreiche Überreste von früherer Besiedlung durch Pueblo Native Americans gefunden. Die Grundmauern eines ehemaligen Dorfes wurden durch Ausgrabungen freigelegt. Außerdem haben die Forscher viele Schriftzeichen an Felsen entdeckt. Eine Felsgruppe mit besonders vielen Zeichnungen hat den ehrenvollen Namen Newspaper Rock bekommen. Die Entschlüsselung der Zeichnungen gestaltet sich jedoch schwierig. Die meisten Hinweise auf ihre Bedeutung kommen von Mitgliedern der heutigen Pueblo-Stämme.

Newspaper Rock
Newspaper Rock

Es ist wieder einmal eine eigentümliche Landschaft, die wir sehen. Wir machen Wanderungen durch die Einsamkeit und lassen die Bilder auf uns wirken.

Wüstenlandschaft im Petrified Forest
Wüstenlandschaft im Petrified Forest
Blick in die Ferne
Blick in die Ferne

Dann machen wir uns wieder auf den Weg. Unser nächster Abschnitt führt nach Süden nach Phoenix, die Hauptstadt von Arizona.

 

 

 

 

 

 

Am Grand Canyon

Von Flagstaff aus machen wir uns auf den Weg zum Grand Canyon, dem sicherlich bekanntesten Nationalpark in den USA. Hier gräbt sich der Colorado River ein tiefes Tal von Ost nach West in das Colorado Plateau. Entsprechend gibt es eine Nord- und eine Süd-Kante. Wir kommen aus dem Süden und erreichen den Grand Canyon am South Rim. Als wir ankommen, ziehen noch Frühnebel durch das Tal, was dem Blick über den Canyon eine mystische Komponente verleiht.

Grand Canyon im Morgennebel
Grand Canyon im Morgennebel

Wir sind enorm beeindruckt von der Größe des Canyons. Tiefe Fluss-Einschnitte sind uns in den letzten Wochen immer wieder begegnet. Aber keiner der Canyons kommt auch nur annähernd an die Größe und Weite des Grand Canyons.

Nach Rücksprache mit dem Besucherzentrum entscheiden wir uns für eine Wanderung an der Hangkante, dem South Rim Trail. Es gibt hier ständig fahrende Shuttle-Busse, die an viele Stellen halten. So können wir eine lange Wanderung machen, ohne den Weg zurück laufen zu müssen.

Grand Canyon
Blick vom Grand Canyon South Rim auf den gegenüber liegenden North Rim

Hinter jeder Kurve, und davon gibt es hier sehr viele, offenbart sich ein neuer, atemberaubender Blick in die Tiefe. Auf der anderen Seite kann man in der Ferne die nördliche Kante, den North Rim, erkennen.

Nach einigen Meilen erreichen wir ein Dorf mit Hotel und General Store, das Grand Canyon Village. Von hier aus führt der Bright Angle Trail an der Hangkante hinab und in die Tiefe. Es ist ein Wanderweg, der schon Native Americans angelegt und genutzt wurde. Von hier könnte man den Fluss erreichen. Allerdings muss man den Weg dann auch wieder in die Höhe steigen, wobei 1350m Höhenunterschied zu überwinden sind. Wir überlegen, ob wir uns diesen Weg für den nächsten Tag vornehmen, entscheiden uns dann aber dagegen. Der Weg ins Tal und zurück ist nicht geeignet für eine spontane Entscheidung und braucht etwas mehr Zeit und Vorbereitung.

Der Grand Canyon Angle Trail
Der Grand Canyon Angle Trail führt in die Tiefe und zum Fluss

Wir bleiben als oben und laufen weiter am South Rim entlang. Zum Teil führt der Weg sehr dicht an der ungesicherten Kante entlang. Das ist nichts für Leute mit Höhenangst oder einem unsicheren Tritt.

Die Hangkante fällt steil ab in die Tiefe
Die Hangkante fällt steil ab in die Tiefe

An diesem späten Oktober-Tag sind nur wenige Wanderer unterwegs am Grand Canyon. Wie so oft hilft man sich wieder mit gegenseitigem Fotografieren. Dabei kommen wir in ein kurzes Gespräch mit einem älteren amerikanischem Paar, das die wichtigsten Aussichtspunkte mit dem Shuttle-Bus abfährt. Sie erzählen uns, dass sie ein florierendes Ski-Resort westlich von Boston besitzen und ein großes Ferienhaus in Arizona haben. Aha, ihr Wohlstand ist offensichtlich. Die Frau fragt uns, was wir von den Separatisten in Katalonien halten. Ihr Sohn sei gerade aus Barcelona zurück gekommen. Sie fügt hinzu, dass sie hoffen, dass die Separatisten erfolgreich sind. Ich gebe zu bedenken, dass es bei Separierungs-Aktivitäten nur Verlierer gibt. Es ist nicht gut für Europa und Spanien. Die Katalanen haben am meisten zu verlieren. Das sei doch Unsinn, sagt ihr Mann. Er hat eine klare Position. Wenn die Katalanen eigene Wege gehen wollen, dann sollen sie. “The Californians want to separate too. You (Europeans) can have them!” setzt er noch hinterher. Und wenn er einmal in Fahrt ist, ist er nicht zu bremsen. In Europa herrsche ein riesiges Chaos, sagt er. Die vielen Immigranten und all die Attentate seien völlig außer Kontrolle. Er ist sehr froh, auf der anderen Seite des Atlantik zu leben … Ich denke spontan, dass ich auch froh darüber bin, behalte das aber lieber für mich. Wir sind einen Moment überrascht und realisieren, dass diese Unterhaltung nicht mehr in ein konstruktives Fahrwasser zu lenken ist. Tatsächlich begegnet uns gelegentlich bei Gesprächen eine amerikanische Weltsicht, die Europa im tiefen Chaos von Immigranten wähnt. Die Gesprächspartner mit dieser Ansicht sind in der Regel nicht interessiert an Fakten. So wünschen wir den beiden alles Gute und machen uns weiter auf unsere Wanderung.

Im Laufe des Tages wird die Sicht in die Ferne klarer, und die Farbe des Lichtes ändert sich. An einigen, wenige Stellen kann man in der Tiefe den Colorado River erkennen. Es ist kaum vorstellbar, dass dieser kleine Fluss im Laufe einer sehr langen Zeit diese unglaubliche Landschaft geschaffen hat.

Grand Canyon im Nachmittagslicht
Grand Canyon im Nachmittagslicht. Ganz unten in der Tiefe kann man den Fluss erkennen.

Nach etwa 18km erreichen wir das westliche Ende des Rim Trails, den Hermest Rest. Anfang des 20ten Jahrhunderts gab es hier einmal ein Rasthaus, das nur zu Fuß durch lange Wanderungen erreichbar war. Heute gibt es hier immerhin Kaffee und Eis. Wir nehmen diesen Service gerne in Anspruch, ruhen unsere müden Füße aus und genießen den Blick in die Ferne.

Dann setzten wir uns in einen der Shuttle-Busse und fahren zurück zu unserem Ausgangspunkt, das östliche Ende des Rim Trails. Gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang kommen wir dort an und können noch einmal einen Blick auf ein spektakuläres Farbenspiel im Licht der roten Sonne erhaschen.

Sonnenuntergangsstimmung am Grand Canyon
Sonnenuntergangsstimmung am Grand Canyon

Wir haben auf unserer Reise bereits sehr viele spektakuläre Felsformationen gesehen. Aber der wirklich großartige Grand Canyon hat uns noch einmal sehr beeindruckt. Dieser National Park trägt zu Recht seinen Namen.

 

 

An der Route 66: Flagstaff

Am Nachmittag machen wir uns auf zur nächsten Etappe, die uns von Page in südliche Richtung führt. Dabei durchqueren wir das Navajo-Reservat, eine sehr einsame, wüstenartige Landschaft, die im Westen von den Bergen des Kaibab National Forrest begrenzt wird, wo sich auch der Grand Canyon befindet. Die Gegend ist sehr dünn besiedelt. Wir sehen wenige Behausungen, einfache Häuser oder ehemalige Wohnmobile, die zu dauerhaften Wohnstätten umgestaltet wurden. So fahren wir stundenlang durch diese weite Landschaft mit roten Felsen. In der Ferne sehen wir die säulenartigen Felsen des Monument Valley. Dieser Abschnitt der Route 89 ist eine der schönsten Strecken aus dem Kultfilm Easy Rider. Zur Musik von The Band fahren Wyatt (Captain America) und Billy mit ihren Harleys durch diese schroffe, rote Felslandschaft (YouTube). Auch wir genießen die wunderbare Stimmung, lassen uns treiben und fahren in die Nacht hinein. Jetzt säße ich gerne mit meiner Astrid auf einem Motorrad …

Route 89 nach Flagstaff
Unterwegs auf der Route 89 nach Flagstaff

Unser Ziel ist Flagstaff, eine Stadt mit 65’000 Einwohner auf etwa 2100m Höhe. Wir nehmen uns ein paar Tage Zeit, die Stadt anzuschauen und uns von den vielen National-Parks auszuruhen. Es ist sonnig, und trotz der großen Höhe wird es angenehm warm am Tag, so dass wir in T-Shirts die Stadt erkunden können.

Flagstaff ist eine ehemalige Pionier-Stadt, die als wichtiger Verkehrsknotenpunkt Bedeutung erlangt hat. Durch die Stadt führt die Route 66, die historische Straßenverbindung von Chicago nach Los Angeles. Heute ist von der Route 66 nicht mehr viel zu sehen, aber es gibt eine Menge touristische Hinweise auf die Anwesenheit der geschichtsträchtigen Straße.

Route 66 in Flagstaff
Route 66 in Flagstaff

Auch für den Schienenverkehr hat Flagstaff bis heute eine große Bedeutung. Hier hält der Amtrak-Zug, der ebenfalls Los Angeles mit Chicago verbindet. Und die Strecke ist eine wichtige Verbindung für Güterzüge. Das für damalige Verhältnisse großzügige Bahnhofsgebäude beherbergt heute das Besucher-Zentrum der Stadt.

Bahnhof und Besucherzentrum von Flagstaff
Bahnhof und Besucherzentrum von Flagstaff

Wir sind beeindruckt von den Güterzügen, die alle 10 oder 20 Minuten über die Gleise rollen. Es sind endlos lange Züge, gezogen von bis zu 4 schweren Diesel-Lokomotiven. Die Loks müssen gewaltige Höhenunterschiede bewältigen und rollen mit Getöse an der Stadt vorbei. So ein Pacific Railroad-Zug war schon immer ein – meist unerfüllter -Traum jedes jungen Modelleisenbahners!

Pacific Railroad mit vier Lokomotiven, unterwegs nach Nordosten
Pacific Railroad mit vier Lokomotiven, unterwegs nach Nordosten

Der Name der Stadt beruft sich auf Siedler, die unterwegs nach Westen waren und zur Zeit des amerikanischen Nationalfeiertags hier vorbei kamen. Für das improvisierte Fest nahmen sie einen schlanken Baum, befreiten ihn von Ästen und befestigten oben die amerikanische Flagge. Als sie weiter zogen blieb der Baum als Fahnenmast stehen. Seither heißt der Ort Flagstaff. Auf uns wirkt die Stadt immer noch ein bisschen wie eine Pionierstadt aus einem Western. Wir fühlen uns hier wohl.

Weatherford Hotel in Flagstaff
Weatherford Hotel in Flagstaff

Auf einem Hügel vor der Stadt ist eine Sternwarte zu sehen, die es in sich hat. Percival Lowell hat dieses Observatorium 1894 am Rande von Flagstaff gegründet, nachdem er einen Standort gesucht hat, der sich durch saubere Luft und möglichst geringer Lichtverschmutzung auszeichnet. Wir nehmen an einer Führung teil, bekommen den Campus mit verschiedenen Gebäuden gezeigt, können durch ein Sonnenteleskop schauen und hören die verrückte Geschichte von der Entdeckung des Planeten Pluto im Jahre 1930 und warum er im Jahre 1992 auf den Status eines Zwergplaneten zurück gestuft wurde. Das Lowell Observatorium war auch an der Apollo-Mission zum Mond beteiligt und leistet noch immer aktuelle Forschung. Wir sind begeistert von der Führung und hätten nie erwartet, dass so viel Wissenschaft in dieser Stadt in den Bergen zu finden ist.

Geführte Tour am Lowell Observatorium
Geführte Tour am Lowell Observatorium

In Flagstaff gibt es ein Kunst-Museum mit besonderem Fokus auf die “Native Americans”, das Museum of Northern Arizona. Dieses Museum bietet viel Information zur Herkunft, Geschichte und Lebensweise der Navajo-Indianer, der verschiedenen Pueblo-Indianer Stämme und anderer ursprüngliche Volksgruppen im Bereich des Colorado Plateaus. Wir sind sehr beeindruckt und dankbar für diese Hintergründe, helfen sie uns doch, das Land, das wir bereisen, besser zu verstehen.

Museum of Northern Arizona in Flagstaff
Museum of Northern Arizona in Flagstaff

Astrid sagt: “Also, wenn du mal ein Job-Angebot in Flagstaff für ein halbes Jahr oder so bekommst, dann überlege ich mir, ob ich mitkomme.” Auch wenn das ein sehr unwahrscheinliches Scenario ist, so ist es doch ein großes Lob für diese Region!

 

Die Kraft des Wassers in der Wüste

Wir verlassen Kanab im Süden von Utah – das kleine Städtchen hat uns gut gefallen – und sind wieder unterwegs, diese Mal aber nur etwa 2 Stunden in östliche Richtung nach Page in Arizona. Wir fahren durch eine Landschaft mit roten Felsen, die immer trockener und karger wird. Das Wetter ist sonnig und sehr warm, fast zu heiß. Arizona und Kalifornien erleben in diesen Tagen eine heiße Phase. Die Temperaturen liegen gut 10 Grad über den üblichen Werten in dieser Jahreszeit.

Unterwegs treffen wir auf weitere Variationen davon, was Wasser mit Sandstein machen kann. Wir halten an einem Rastplatz an der Route 89. Nach kurzer Wanderung öffnet sich eine Märchenlandschaft mit seltsamen pilzförmigen Gebilden, die Toadstool Hoodoos. Wir laufen eine Weile zwischen den Gestalten herum und staunen über die bizarren Formen. Dann wird es uns aber zu heiß, und wir kehren zum Auto zurück.

Toadtstool Hoodoos im Süden von Utah
Toadtstool Hoodoos im Süden von Utah

Bald erreichen wir die Grenze zu Arizona. Wieder einmal stellt sich die Uhr um, und wir bekommen eine weitere Stunde geschenkt. Die Umstellung ist allerdings nicht einer anderen Zeitzone geschuldet, sondern der Tatsache, dass wir in die “Winterzeit” fahren. Arizona beteiligt sich nicht an der Sommer/Winter-Umstellung und lebt dauerhaft mit der Winterzeit, während Utah die Winterzeit-Umstellung erst im November machen wird. Reisen in den USA kann kompliziert sein!

Wir kommen zum Lake Powell, einem großen Stausee, der völlig deplatziert wirkt in dieser Wüstenlandschaft. Um so mehr freut sich das Auge an der blauen Farbe. Von einem erhöhten Standort kann man einen Teil des Sees überblicken. Hier gibt es auch einen Hafen mit Bootsanlegern und Wassersport.

Lake Powell mit dem kleinen Hafen Wahweap
Lake Powell mit dem kleinen Hafen Wahweap

Der See wurde erzeugt durch das Aufstauen des Colorado Rivers an der Glen Canyon Staumauer, die wir wenig später erreichen. Hier gibt es ein Besucherzentrum mit Information über die Staumauer und den See.

Glen Canyon Staumauer
Glen Canyon Staumauer

Wir nehmen an einer Führung teil, die von einer jungen Frau – wir vermuten, dass sie indianischer Abstammung ist – geleitet wird. Der Glen Canyon Dam wurde von 1956 bis 64 gebaut und ist ein integraler Bestandteil der Wasserwirtschaft im Südwesten der USA. Die Bundesstaaten Arizona, Nevada, New Mexico und California haben wenig Niederschläge und sind immer von Trockenheit bedroht. Durch den Powell Stausee und den weiter westlich liegenden Mead Stausee in Nevada werden die Niederschläge vom Winter und das Wasser der Schneeschmelze aufgefangen und über das Jahr verfügbar gemacht. Außerdem produziert der Staudamm Strom für die Region. Der Stausee ist zur Zeit nur zu 65% gefüllt. Nach mehr als 10 Jahren mit wenig Niederschlägen hatte der letzte Winter viel Schnee und Wasser gebracht, was die Situation etwas verbesserte. Trotzdem ist die Sorge vor längerer Trockenheit allgegenwärtig.

Der schmale Canyon bildet eine optimale Vorrausetzung für den Bau des Damms. Der erste Schritt war die verkehrstechnische Erschließung der Gegend, wozu auch die Brücke gehört.

Glen Canyon Brücke
Glen Canyon Dam Bridge

Die Besichtigung des Kraftwerks war interessant. Neun riesige Generatoren produzieren elektrische Energie, die weite Bereiche von Nord-Arizona versorgt. Ich muss an das Wasserkraftwerk in Laufenburg am Rhein denken, das ich vor einigen Jahren besucht hatte. Die Dimensionen des Kraftwerks am Glen Canyon Dam sind um ein vielfaches größer.

Glen Canyon Staudamm
Links der Glen Canyon Staudamm. Rechts das Maschinenhaus mit den Generatoren.

Unsere junge Führerin erweist sich als sehr kompetente Ansprechpartnerin und kann alle Fragen ohne Zögern beantworten. Auch die Frage, ob sie Freude hat an ihrem Job, bringt sie nicht in Verlegenheit. “Yes, I love it!” ist ihre spontane Antwort. “This part of the world is a little paradise.” Sie arbeitet schon seit einigen Jahren im Besucherzentrum des Staudamms, unterbrochen von Ausbildunsgeinheiten, und freut sich jeden Morgen, wenn sie über die Brücke zur Arbeit fährt. Der Blick über den See auf der einen und den tiefen Canyon auf der anderen Seite, was kann es Schöneres geben. Das Leuchten in ihren Augen lässt keine Zweifel zu.

Der Colorado River hat sich im Laufe von Millionen von Jahren einen tiefen, kurvigen Graben in das Plateau geschnitten. Eine besonders hübsche Kurve finden wir wenige Kilometer nach dem Staudamm, der Horseshoe Bend. Hier hat sich der Fluss eine hufeisen-förmige Kurve von fast 360 Grad zurechtgelegt. Vom oberen Rand der steilen Felsabhänge lässt sich das Schauspiel beobachten.

Colorado Horseshoe Bend
Colorado Horseshoe Bend. Der Fluss kommt von oben rechts und fließt oben links weiter.

Am Abend treffen wir uns mit Olivia, die Tochter von Monika und Philip, die schon damals in unseren Jahren in New Jersey auf unsere Kinder aufgepasst hatte. Zusammen mit ihrer Freundin Lorraine ist sie unterwegs auf einer Ferientour von Süden nach Norden. Wir reisen in der entgegengesetzten Richtung und sind zufällig zur gleichen Zeit in derselben Region. Wir verabreden uns zum Abendessen. Es wird ein freudiges Wiedersehen mit vielen Erzählungen und Erinnerungen.

Abendessen mit Freunden
Abendessen mit Freunden: Olivia, Lorraine, Astrid, Stephan

Zum Abschluss unserer Zeit in Page gibt es noch ein ganz besonderes Erlebnis, ein Besuch im Antelope Slot Canyon, eine weitere Variation von Wasser und Wüsten-Sandstein. Der sehr schmale Canyon wurde durch den Antelope Creek geformt, ein Bach, der nur wenige Male im Jahr nach Sturzregen Wasser führt und dann in den Colorado River führt. Die meiste Zeit des Jahres ist der Canyon trocken und begehbar.

Der Antelope Canyon liegt auf Navajo-Gebiet und ist nur durch geführte Touren erreichbar, die von den Navajos organisiert wird. Zum Eingang des Canyons fahren wir mit einem Allrad-getriebenen Pritschenwagen bei halsbrecherischem Tempo über die Wüstenpiste. Es ist eine sandige und staubige Angelegenheit, was uns aber nicht abschreckt sondern Teil des Abenteuers ist.

Fahrt zum Antelope Canyon
Fahrt zum Antelope Canyon

Und dann treten wir aus dem gleißenden Sonnenlicht in den Canyon – und sind zutiefst berührt von der Farben- und Formenwelt, die sich uns eröffnet. Es ist, als seien die Wellen des Wassers in Sand gegossen, der von einem inneren Licht durchflutet wird. Es sind zauberhafte, fast mystische Bilder, von denen wir hier nur einige zeigen können.

Antelope Canyon
Antelope Canyon
Antelope Canyon
Antelope Canyon
Antelope Canyon
Antelope Canyon
Antelope Canyon
Antelope Canyon
Antelope Canyon
Antelope Canyon
Antelope Canyon
Antelope Canyon
Antelope Canyon
Antelope Canyon

Der Canyon ist etwa 400m lang, wobei die Wände mehr als 40m hoch aufragen. Nach jeder Kurve bietet sich ein neues, überraschendes Bild. Mit staubigem, zerzaustem Haar stehen wir hinterher vor dem Canyon und können uns erst langsam wieder an das Tagelicht gewöhnen. Die Bilder des Antelope Canyons wirken noch lange nach.

Zurück im Sonnenlicht. Die Bilder vom Cantelope Canyon wirken noch lange nach.
Zurück im Sonnenlicht. Die Bilder vom Cantelope Canyon wirken noch lange nach.

 

 

Von Hoodoos und Amphitheatern: Zion National Park und Brice Canyon

Unsere nächste Etappe führt in den Süden von Utah an die Grenze nach Arizona. Es sind wieder 4 oder 5 Stunden Fahrt durch eine weite Berglandschaft.

Aber erst einmal gibt es ein Lehrstück zum Thema “Strategisches Tanken”. Wir sind unterwegs auf der Interstate 70 nach Westen, und der Tankinhalt geht wieder einmal zur Neige. An der nächsten Highway-Ausfahrt werden – wie immer – Tankstellen und Schnellrestaurants angekündigt. Aber die Benzinpreise sind uns zu hoch. Der Board-Computer meldet noch 80 Meilen, also 130km, und die nächste Ausfahrt ist nicht allzu weit entfernt. Wir fahren kurz entschlossen weiter. Jetzt aber wird die Gegend bergiger und einsamer. 40 Meilen weiter erreichen wir die nächste Abfahrt, die allerdings direkt auf einen Feldweg führt. Ein Schild sagt “No Services“. Also weiter. Wir werden ein bisschen unruhig, besonders als es immer mehr bergan geht und der Board-Computer seine Reichenweitenvorhersage kommentarlos nach unten korrigiert. Als wir die Passhöhe von über 2000m erreichen, hat sich die Restweiten-Anzeige bereits verabschiedet. “Low Fuel” blinkt uns aus dem Display entgegen. In Gedanken an einen unfreiwilligen Stopp am Straßenrand können wir die Schönheit der Landschaft nicht recht genießen. Um uns herum keine Anzeichen von Zivilisation, nur gelegentlich vorbeidonnernde Laster. Kein passender Ort für einen leeren Tank. Zum Glück geht es von jetzt an stetig bergab, so dass der Motor mit minimalem Benzinverbrauch auskommt. Es dauert noch eine ganze Weile, bis wir nach bangen Momenten endlich wieder einen besiedelten Ort mit Tankstelle erreichen. Geschafft, Gott sei Dank! Jetzt wird aufgefüllt ohne Rücksicht auf den Benzinpreis. So viel Sprit hat noch nie in den Tank gepasst.

Die I70 führt durch eine einsame Berglandschaft in Utah
Die I70 führt durch eine einsame Berglandschaft in Utah

Schließlich erreichen wir in Kanab unsere Herberge für die nächsten 4 Tage. Das Motel liegt malerisch an einem Abbruch der allgegenwärtigen roten Felsen. Nicht weit vom Motel rückt eine Filmcrew mit Lastern mit Material und Ausrüstung an und richtet dort ihr Basislager ein. Wir wissen nicht, was gedreht wird, und vermuten, dass es hier der ideale Ort ist für einen Western.

Quality Inn in Kanab
Das Quality Inn in Kanab liegt vor einer malerischen Kulisse

Kanab ist ein beliebter Ausgangspunkt für großartige Nationalparks in der Region. Unser erster Besuch gilt dem Zion National Park. Wieder hat ein Fluss, der Virgin River, einen Canyon in den Sandstein geschnitten. Aber die Landschaft ist hier ganz anders als wir es von den anderen Parks kennen. Die Farben haben hellere und braune Töne, und die Abhänge sind weniger schroff.

Checkerboard-Mesa
Checkerboard-Mesa Im Zion National Park

Es ist ein sonniger Tag, beinahe T-Shirt-Wetter. Es gibt mehrere Wanderwege am Fluss entlang durch den Canyon. Das Tal ist bewaldet und zeigt sich in wunderschöne Herbstfarben.

Virgin River im Zion National Park
Virgin River im Zion National Park

Leider ist der Park an diesem Samstag sehr überlaufen. Wir haben ein verlängertes Wochenende in Utah erwischt. Die Schule hat von Donnerstag bis zum Ende der Woche geschlossen. So sind sehr viele Familien mit Kinder unterwegs. Es wird eng auf den Wanderwegen. Wir lassen uns aber nicht davon abhalten, die schöne Landschaft zu genießen.

Der nächste Tag ist dem Bryce Canyon gewidmet. Wir wissen noch nicht viel über den Park, als wir uns auf den Weg machen. Um es vorweg zu nehmen: Uns erwartet ein Höhepunkt unserer USA-Reise.

Der Bryce-Canyon liegt mit 2400 bis 2700m deutlich höher. Wir haben Glück mit dem Wetter, und trotz der Höhe ist es angenehm warm. Der Canyon wurde nicht durch einen Fluss geformt, weshalb die Bezeichnung als Canyon eigentlich falsch ist. Die Landschaft ist geprägt durch eine steile Abbruchkante aus Sandstein, in der sich durch Erosion die abenteuerlichsten Felsformationen gebildet haben. Unser Aufstieg führt auf einen Weg entlang der Abbruchkante. Von hier können wir einen großen, halbkreisförmigen Felskessel übersehen. Die Parkleitung hat den Begriff “Amphitheater” geprägt.

"Amphitheater" im Bryce Canyon
“Amphitheater” im Bryce Canyon

Fast endlos erstrecken sich bizarre Felsnadeln, die in allen möglichen Rot- und Brauntönen leuchten. Die Felsnadeln haben die Fantasie der Menschen angeregt und werden als Hoodoos bezeichnet.

"Hoodoos" im Amphitheater
“Hoodoos” im Amphitheater

Viele von ihnen sind personifiziert. Wir konnten das nicht unbedingt nachempfinden – erkennt man da wirklich Queen Elizabeth auf einem Pferd? – und haben uns einfach an den Farben und Formen erfreut.

Hoodoos im Bryce Canyon
Hoodoos im Bryce Canyon

Nachdem wir ein Stück an der Kante entlang gewandert sind, gibt es die Möglichkeit, in das Tal hinabzusteigen. Wir folgen gerne diesem verwunschenen Weg, auch wenn uns verschwitzte und schnaufende Wanderer entgegenkommen.

Abstieg ins Tal auf dem Navajo-Pfad
Abstieg ins Tal auf dem Navajo-Pfad

Jetzt kommen wir den Hoodoos näher, die unseren Spaziergang mit strengem Blick überwachen.

Hoodoo im Bryce Canyon
Ein Hoodoo blickt uns entgegen

Der Wanderweg führt durch interessante Schleifen und Kurven. Ab und zu geht es durch einen Durchbruch im weichen Fels.

Durchbruch im weichen Sandstein
Der Wanderweg führt durch eine Durchbruch im weichen Sandstein

Weiter hinter der Abbruchkante zeigt sich eine fast liebliche Landschaft mit sandigen Hügeln. Hier gibt es auch viele Wege für Reiter.

Sandige Hügel im Bryce Canyon
Sandige Hügel prägen die Landschaft hinter der Abbruchkante

Der Aufstieg zurück zur Kante bringt wie erwartet den Puls in Schwung. Ich bemerke deutlich die Höhe von immerhin über 2000m und muss kräftig schnaufen. Offensichtlich ist uns die Anstrengung anzusehen, denn ein entgegenkommendes Paar, gerade unterwegs in das Tal, fragt uns “Is that what it looks like when we have to come up again?” Wir müssen schmunzeln, und einigen uns darauf, dass es gut für die Gesundheit ist. Die Anstrengung wird belohnt durch immer wieder wunderschöne Ausblicke in diese einzigartige Welt.

Bryce Canyon
Durchblick zwischen den Hoodoos im Bryce Canyon

So geht wieder ein intensiver Tag zu Ende. Astrid und ich sind beglückt von den Erlebnissen im Bryce Canyon. Es ist eine beeindruckende Naturlandschaft, die sprachlos macht. “It is a God thing!”, sagt eine Frau neben uns beim Blick über das Tal. Das empfinden wir genauso.

Abschied vom Bryce Canyon.
Abschied vom Bryce Canyon. Wir werden bestimmt wieder kommen.

Wir machen uns auf den Rückweg in unsere Herberge, wo wir müde und zufrieden ins Bett fallen. Der nächste Abschnitt unserer Reise wird uns über die Bundesstaaten-Grenze nach Arizona bringen, wo der Grand Canyon und andere Highlights auf uns warten.

 

 

 

Im Land der roten Felsen: Arches und Canyonlands National Parks

Von Salt Lake City geht es weiter nach Süden. Die Stadt und ihre Umgebung haben ein dichtes Verkehrsaufkommen. Aber schon bald wird die Straße wieder leerer. Wir sind unterwegs zusammen mit einigen Fernlastern, die mit exakt austarierter Höchstgeschwindigkeit auf der Überholspur vorbeiziehen. Wir fahren am Wastach-Gebirge entlang nach Süden und überqueren es schließlich nach Südosten. Die Landschaft ist kahl, fast wüstenartig. Die Berge werden immer rötlicher. Nach 6 Stunden Fahrt erreichen wir Moab im Osten von Utah.

Moab ist eine touristische Stadt mit 5000 Einwohnern, die von einer viel-befahrenen, mehrspurigen Straße durchzogen wird. Hier gibt es eine Unzahl von Motels, ein paar Geschäfte, Tankstellen, Restaurants und Touristen-Läden – nicht sehr reizvoll. Die Stadt dient als Ausgangspunkt für Besuche der beiden National Parks Arches und Canyonlands und des Dead Horse State Park. Wenn wir gehofft hatten, dass Mitte Oktober die Saison dem Ende zugeht, so haben wir uns hier in Moab getäuscht. Da das Wetter warm und sonnig ist, sind die Motels bis auf das letzte Bett ausgebucht.

Die Region wir geprägt vom Colorado Plateau bestehend aus Schichten von rotem Sandstein, dass im Verlaufe von Millionen Jahren durch Erosion und die Flüsse Colorado River und Green River zerschnitten und gespalten wurde. Plateaus mit spektakuläre Einschnitten und tiefe Abbrüchen sind entstanden.

Unser erster Besuch gilt dem Arches National Park, der die weltweit größte Konzentration von natürlichen Steinbögen aufweist.

Arches National Park
Arches National Park. In der Ferne ist der “Balanced Rock” zu sehen.

Es ist in der Tat eine eigentümliche und faszinierende Landschaft, die trotz der vielen stehengebliebenen Sandstein-Felsen eine große Weite hat.

South-Window, einer der vielen Bögen
South-Window, einer der vielen Bögen

Jetzt haben wir Gelegenheit zu längeren Wanderungen, was bei dem schönen Wetter viel Freude macht. Einige der der interessantesten Stellen können nur durch einen Fußmarsch erschlossen werden.

Der Sand Dune Arch ist durch eine enge Schlucht zu erreichen.
Der Sand Dune Arch ist durch eine enge Schlucht zu erreichen.
Sand Dune Arch
Sand Dune Arch

Durch tektonische Vorgänge wurden die Schichten an einigen Stellen gekippt und senkrecht gestellt, so dass sie wie Platten aus dem Grund ragen.

Senkrechte Schichten
Senkrechte Schichten ragen als Platten aus dem Grund.
Wanderweg zum Double-O Arch
Abenteuerlicher Wanderwegen führen darüber ….
Double Arch
… und erreichen schließlich den “Double Arch”

Am Ende dieses Tages wissen wir, was wir geleistet haben. Die Schrittezähler melden Allzeit-Rekorde. Müde und fuß-lahm aber voller Eindrücke und Bilder erreichen wir unser Hotel.

Der nächste Tag führt uns in den Canyonlands National Park, ein flächenmäßig sehr großer Park, der nicht überall mit dem Auto zugänglich ist. Wir können nur einen Teil des Parks besuchen und entscheiden uns für die nördliche Island in the Sky-Region. Dort werden mit fantastischen Ausblicken in tiefe Canyons belohnt, die vom Colorado River und Green River geschnitten wurden. Auch hier verbringen wir einen langen Tag mit vielen Wanderungen durch die eigenwillige und spannende Landschaft.

Canyonlands National Park
Canyonlands National Park

Ein amerikanisches Paar bittet uns, ein Foto von ihnen zu machen. Klar, machen wir gerne. Wir kommen ins Gespräch. Sie waren im Mai in Deutschland zur Vorbereitung der Reformationsfeier in ihrer Gemeinde, und haben etwas von den Spannungen zwischen Ost- und West-Deutschland mitbekommen. Und viel Bratwurst gegessen. Wir hören Respekt vor der deutschen Kanzlerin – und Skepsis vor der derzeitigen amerikanischen Regierung. Ich erzähle, dass ich oft zwischen New York und San Francisco hin und her geflogen bin, und wie spannend es jetzt ist, mit dem Auto durch den „Fly Over Country“ zu fahren. Waren wir auch in Wisconsin? Dort haben sie ihr Zuhause. Wir berichten von unserem Stopp in Sheboygan. Wirklich? Ja, kennen sie. Schöne Stadt am See!

Zum Abschluß besuchen wir den Dead Horse Point State Park, ein mehrere Kilometer – pardon, Meilen – langes vorstehendes Hochplateau, das links und rechts durch steile Abhänge begrenzt wird. Das Plateau ist zum Teil bis zu 27m schmal, und die Abhänge sind 600m tief. Der Park hat seinen Namen von einer Legende, wonach Cowboys wilde (oder gestohlene) Pferde bis an das Ende des Plateaus zusammen trieben und den Rückweg durch Gehölz und Dornen versperrten. Dann wurde die besten Tiere herausgesucht. Die anderen Tiere aber blieben eingesperrt und mussten verdursten, obwohl doch in der Tiefe der Colorado River zu sehen war. Warum die Tiere nicht freigelassen wurden oder ob diese Legende überhaupt irgendeinen Wahrheitsgehalt hat, lässt sich nicht beurteilen.

Heute führt eine Straße bis an das Ende des Hochplateaus. An der schmalsten Stelle kann man aus dem Auto links und rechts in die Tiefe schauen, ein eigenartiges Gefühl. Der Ausblick von der Südspitze ist dann breathtaking – atemberaubend.

Blick vom Dead Horse Point auf den Canyon des Colorado Rivers
Blick vom Dead Horse Point auf den Canyon des Colorado Rivers

Die Abhänge sind nur an wenigen Stellen durch Mauern begrenzt und – im sicherheitsbewussten Amerika sehr ungewöhnlich – an den meisten Stellen offen, so dass wir uns der Kante mit großer Vorsicht nähern.

Nach Auskunft des Besucherzentrums ist dieses die am häufigsten fotografierte Landschaftsszene der Welt. Wir wollen dem natürlich nicht nachstehen und betätigen die Auslöser aller verfügbaren fotographischen Geräte. Natürlich wird auch sehr viel gegenseitig fotografiert.

Dead Horse Point, Utah
Dead Horse Point, Utah

Übrigens heißt es, dass die Fotos vom Dead Horse Point oft als Aufnahmen vom Grand Canyon (Arizona) ausgegeben werden. Den Fehler wollen wir nicht machen. Der Grand Canyon steht für einen späteren Besuch auf unserer Reiseliste.

Es sind fantastische Bilder, die uns an diesen Tagen begegnen und die wir in Gedanken mit nach Hause nehmen werden. Auch wenn uns die Landschaft von vielen Dokumentationen, Kalendern oder aus dem Internet bekannt ist, so ist es doch enorm eindrücklich, selber dort hindurch zu wandern.

 

 

 

 

 

 

Am Großen Salzsee: Salt Lake City

West Yellowstone markiert den nördlichsten Punkt unserer Reise. Von jetzt ab geht es nach Süden – eine Richtung, die angesichts der Temperaturen sehr willkommen ist. Wir fahren durch lange Waldstrecken und kommen von 2300m Höhe langsam tiefer. Es geht mehrere Stunden durch den Bundesstaat Idaho, eine grüne und fruchtbare Gegend, die berühmt ist für Rinderzucht und Kartoffeln. Dann weitet sich der Horizont, und wir sehen Gebirgszüge in der Ferne auf beiden Seiten, im Westen und im Osten. Als wir die Grenze nach Utah erreichen, ist es deutlich wärmer geworden. Die kargen, felsigen Berge haben eine rötliche Färbung angenommen. Landwirtschaft gibt es kaum noch. Schließlich erreichen wir unser nächstes Ziel: Salt Lake City.

Noch am Abend unserer Ankunft fahren wir zum Strand des Great Salt Lake, dem Großen Salzsee. Wir sind sehr gespannt, welchen Eindruck dieser eigentümliche See hinterlässt.

Die Fläche des Sees ist ungefähr achtmal so groß wie der Bodensee. Aber der See ist sehr flach mit einer maximalen Tiefe von 8m und hat deshalb sehr viel weniger Wasser als der Bodensee. Der Salzgehalt liegt zwischen 8 und 25%, ist also vielfach salziger als das Meer. Es gibt hier keine Fische. Immerhin leben im Wasser Salzwassergarnelen und Salinen-Krebse, die als Nahrung für Wasservögel dienen. Der Wasserstand ändert sich im Laufe der Jahreszeiten, was große Schwankungen der Seefläche bewirkt. Wenn sich das Wasser zurück zieht, hinterlässt es eine salzige, weiße Kruste auf dem Strand.

Strand an Great Salt Lake
Strand mit Salzkruste an Great Salt Lake. Im Hintergrund die Berge der Antilope Island.

Es ist eine ruhige Atmosphäre am Strand. Die Seeoberfläche liegt still da ohne Wellen. Durch den niedrigen Wasserstand sehen wir im Abendlicht Schichten von Sand, Salz und Wasser. In der Ferne zeigen sich die umliegenden Berge.

Wasser, Salz, Sand und Berge
Wasser, Salz, Sand und Berge

Wir sind nicht die einzigen Besucher an diesem sonnigen Abend. Einige (Hobby-) Fotographen nutzen das Abendlicht und den weißen Strand, um Hochzeitspaare oder ihre Lieben abzulichten.

Abendstimmung am Great Salt Lake
Abendstimmung am Great Salt Lake

Die Stadt Salt Lake City liegt 20 oder 30km entfernt vom See auf etwa 1200m Höhe und zeigt sich als eine moderne, aufstrebende und gut organisierte Stadt mit etwa 190’000 Einwohnern. Die Stadt wurde 1847 von Mitgliedern der Kirche Jesus Christi der Heiligen der Letzten Tage, den Mormonen, gegründet. In Zentrum von Salt Lake City befindet sich der Temple Square mit dem Tempel-Gebäude der Mormonen, ein beeindruckender Bau, fast wie ein Schloss, aus weißem Utah-Granit. Der Tempel wurde mit enormem Aufwand im 19ten Jahrhundert errichtet.

Salt Lake Tempel der Mormonen
Salt Lake Tempel der Mormonen

Der Temple-Square ist auch unser erster Stop in der Stadt. Wir werden sehr freundlich begrüßt, und man zeigt uns die wichtigsten Gebäude des Platzes und die Gedanken der Religion der Mormonen. Als Nicht-Mitglieder dürfen wir das Tempel-Gebäude nicht besichtigen. Aber im Besucherzentrum gibt es ein aufgeschnittenes Modell und interaktive Computer-Programme, die zeigen, wie es dort aussieht.

Salt Lake Tempel
Salt Lake Tempel

Auf dem Temple Square sind noch andere Gebäude, z.B. eine Veranstaltungshalle, die sich durch eine sehr gute Akustik auszeichnet und eine große Orgel beherbergt. Wir bekommen die Gelegenheit, ein halbstündiges Orgelkonzert zu hören und sind begeistert vom tollen Klang.

Veranstaltungs-Halle des Temple Square
Veranstaltungs-Halle des Temple Square

Salt Lake City hat weitere Sehenswürdigkeiten, z.B. das Capitol. Hier befindet sich der Regierungssitz des Bundesstaates Utah.

Das Capitol, der Regierungssitz des Bundesstaat Utah
Das Capitol, der Regierungssitz des Bundesstaat Utah. Die Statue zeigt Massasoit, einen Indianer-Häuptling aus Massachusetts (1581-1661). Er bewirkte Frieden mit den Pilgrims und war Organisator des ersten Thanksgiving Dinners.

Das Capitol befindet sich auf einer Anhöhe. Von hier aus hat man einen guten Blick über die Stadt und die umgebenden Gebirgszüge. Salt Lake City liegt in einem großen Tal, das von der Wasatchkette im Osten und dem Oquirrh-Gebirge im Westen eingebettet ist. Es sind beeindruckende Berge, in denen 2002 die olympischen Winterspiele ausgetragen wurden.

Blick vom Capitol auf das Oquirrh-Gebirge
Blick vom Capitol auf das Oquirrh-Gebirge

Es ist Sonntag Morgen. An jedem Sonntag findet eine aufwendige Veranstaltung mit guter Musik in der Veranstaltungshalle des Temple Square statt, die uns vom Besucherzentrum empfohlen wurde. Wir möchten aber in eine christliche Kirche gehen. Tatsächlich gibt es einige christliche Gemeinden in dieser von den Mormonen geprägten Stadt. Mit Googles Hilfe suchen wir eine lutherische Gemeinde und entscheiden uns für die Mount Tabor Lutheran Church, eine Kirche im Osten der Stadt. Pünktlich zum Gottesdienst sind wir dort und werden sehr warmherzig empfangen. Es ist eine kleine Gemeinde, wo jeder jeden kennt. Man ist natürlich neugierig auf unsere Geschichte, die wir gerne erzählen. Der Gottesdienst folgt weitgehend einer katholischen Liturgie, hat aber viele Bezüge zu Luther und ist offen für alle, wirklich alle, die teilnehmen möchten. Wir fühlen uns wohl bei diesen freundlichen und offenherzigen Menschen.

Den Sonntag Nachmittag verbringen wir noch einmal am See. Es gibt eine große Insel, Antilope Island, die als State Park verwaltet wird und in einstündiger Autofahrt erreichbar ist. Hier machen wir einen ausgiebigen, sonnigen Spaziergang durch eine einsame Landschaft. Der See ist als Kulisse allgegenwärtig. Das herbstliche Licht am Nachmittag gibt der Landschaft eine schöne Färbung.

Spaziergang auf Antilope Island am Great Salt Lake
Spaziergang auf Antilope Island am Great Salt Lake

Im State Park gibt es wilde Tiere. Wir sehen (wieder) einen Bison und wandern in gebührendem Abstand um ihn herum – der aber kein Interesse an Sonntagsspaziergängern hat.

Bison auf Antilope Island
Bison auf Antilope Island

Und uns begegnet Rotwild, das wenig Scheu vor Menschen zeigt und uns neugierig beobachtet.

Rotwild auf Antilope Island
Rotwild auf Antilope Island

Die zwei Tage in Salt Lake City gingen schnell vorbei. Wir verbringen den letzten Abend noch einmal am Salzstrand und genießen die Abendsonne.

Lange Schatten in der Abendsonne am Strand
Lange Schatten in der Abendsonne am Strand

Am nächsten Tag werden wir unser Nomadenleben wieder aufnehmen und weiter Kurs nach Süden setzen. Unser nächstes “Basislager” ist Moab, Utah, von wo aus wir wieder Nationalparks besuchen werden.

 

 

 

 

Auf dem Vulkan: Yellowstone Park

Wir nehmen uns drei Tage Zeit für den Yellowstone Park – und könnten in dieser faszinierenden Landschaft doch Wochen verbringen. Die Fahrt von Cody in den Park führt etwa 50 Meilen durch eine felsige Berglandschaft mit schroffen Abhängen und engen Tälern. Es ist eine gute Einstimmung auf das was kommt.

Unterwegs von Cody zum East Gate des Yellowstone NP
Unterwegs von Cody zum East Gate des Yellowstone NP

Der Park hat ungefähr die Größe von Korsika und liegt im Mittel auf einer Höhe von 2300m. Am ersten Tag durchqueren wir den Park von Ost nach West und beziehen dann unser neues Quartier in West Yellowstone, einem kleinen, touristischen Ort direkt am westlichen Eingang in den Park, dem West Gate. An den Folgetagen starten wir von dort aus unsere Touren.

Als wir die Gebühr für den Park bezahlen, bekommen wir ein paar Informationsblätter in die Hand gedrückt, mit denen man uns willkommen heißt aber auch vor Gefahren warnt. Der Park liegt in einer geothermische aktiven Region! Man soll unbedingt auf den Wegen bleiben. Und man soll sich fern halten von wilden Tieren. Bisons und Bären können gefährlich werden! Astrid und ich schauen uns an und wissen noch nicht so recht, was davon zu halten ist.

In der Mitte des Parks befindet sich der Yellowstone Lake. Die schneebedeckten Gipfel der umgebenden Berge sind ein tolles Panorama. Die Saison ist hier schon zu Ende, und das Besucherzentrum geschlossen. “Thanks for a great season! See you next year!” steht auf den Schildern. Wir sind fast alleine und genießen die stille, friedliche Atmosphäre, sind aber auch ein bisschen beunruhigt von all den Warnungen.

Yellowstone Lake
Yellowstone Lake

Das westliche Besucherzentrum am Old Faithful Geysir ist noch geöffnet. Hier finden wir freundliche Beratung. Wandern im Park? Natürlich, es gibt über 1000 Wanderwege. Ob wir schon mal in einem Bären-Gebiet gewandert sind? Nicht? Wir bekommen allerlei Ratschläge, wie wir uns verhalten sollen, falls wir einem Bären begegnen. Und für den Fall der Fälle sollten wir uns mit Bären-Spray ausrüsten. Na prima!

Im Besucherzentrum gibt es sehr gute Schautafeln und Modelle über die geologisch prekäre Situation dieser Region. Der Yellowstone Park liegt auf einem riesigen Vulkan, der sich zwar zur Zeit relativ ruhig verhält, in der Vergangenheit aber mehrfach ausgebrochen ist, das letzte Mal vor etwa 640’000 Jahren. Die umgebenden Gebirgszüge bilden den Kraterrand. In der New York Times (danke an Monika, die uns den Link geschickt hat) gibt es einen aktuellen Artikel, wo der Vulkan auf Grund seiner Größe als Super-Vulkan klassifiziert wird, der bei einem Ausbruch durchaus zur Verdunklung der Atmosphäre und einer vulkanischen Eiszeit auf der ganzen Erde führen kann.

Ausgerüstet mit all diesen Information – und einer griffbereiten Dose Bären-Spray – machen wir uns auf den Weg, die einzigartige Landschaft zu erkunden. Um es vorweg zunehmen: Wir unternehmen lange Touren durch den Park, sind aber glücklicherweise nie einem Bären begegnet.

Die Landschaft ist wunderschön und wäre schon ganz ohne geothermische Effekte einen Besuch wert. Das Besondere aber ist, dass immer irgendwo Wasserdampf aufsteigt und heiße Quellen oder Schlammlöcher blubbern.

Madison River
Madison River. Die Bisons lassen sich nicht stören von dampfenden Quellen
Firehole River
Firehole River

Die sprudelnden Quellen, denen wir an vielen Stellen im Park begegnen, fesseln uns. Manchmal ist das Wasser klar und tief-blau bis türkis. Wenn die Quelle von der Sonne beschienen wird, kann man schaudernd erahnen, in welch dunkle Tiefen das Loch führt.

Heiße Quelle im West Thumb Geyser Baisin
Heiße Quelle im West Thumb Geyser Baisin
Heiße Quelle am "Artist Paint Pots"
Heiße Quelle am “Artist Paint Pots”
Heiße Quelle in der Mammoth Area
Heiße Quelle in der Mammoth Area

Jetzt wird auch verständlich, dass der Boden um diese Löcher herum dünn und verletzlich ist. Es gibt ausgezeichnete Wege und hölzerne Stege, die durch die Felder mit den Quellen und Geysiren führen. So wandern wir auf Holzwegen durch fremde Dämpfe, Gerüche und Geräusche.

Board-Walk bei Artist Paint Pots
Board-Walk bei Artist Paint Pots
Monument Geysir Baisin
Monument Geysir Baisin

Am eindrucksvollsten sind natürlich die Geysire. Der alt-ehrwürdige Old Faithful ist der bekannteste Geysir des Parks. Er bricht relativ regelmäßig alle 60 bis 90 Minuten aus und produziert dann eine enorme Fontäne von 40 oder mehr Metern Höhe. Es ist der erste aktive Geysir, den wir sehen, und wir sind enorm beeindruckt von den freigesetzten Mengen an heißem Wasser und Energie. Und von den begleitenden Geräuschen!

Old Faithful Geysir
Old Faithful Geysir

Für einige der Geysire lässt sich der Zeitpunkt des nächsten Ausbruchs einigermaßen gut vorhersagen. Oft muss man dann aber trotzdem eine Weile warten, bis es tatsächlich losgeht – was bei den kalten Temperaturen Ausdauer erfordern kann. Der Beehive Geysir macht uns die Freude, dass er spontan und mit enormen Fauchen startet, als wir vorbei wanderten.

Beehive Geysir
Beehive Geysir

Die heißen Quellen, die sich im Laufe der Jahre oft neue und veränderte Wege suchen, haben meistens fatale Auswirkungen auf die umgebenden Pflanzen. Wenn Bäume das warme, silikathaltige Wasser aufnehmen, versteinern ihre Wasseradern. Die Bäume sterben ab und bleiben Jahrzehnte als versteinerte Stämme stehen.

Abgestorbene Bäume erinnern an Bilder von Casper David Friedrich
Abgestorbene Bäume erinnern an Bilder von Casper David Friedrich
Mammoth Hot Spring
Mammoth Hot Spring

Abends im Pub setzen sich zwei Männer neben uns an die Bar, beide von bärenhafter Statur. Unser direkter Nachbar spricht mit einem deutlichen englischen Akzent. Wir kommen ins Gespräch. Er kommt ursprünglich aus England, lebt aber seit mehr als 20 Jahren in Florida. Er hat einen Betrieb aufgebaut, der sich auf das Verlegen von Gehwegen mit einem Material aus recycelten Autoreifen spezialisiert hat. Dazu arbeiten sie mit dem Reifenhersteller Michelin zusammen. “My father was a coal miner. I am used to hard work!” sagt er.  Zur Zeit arbeiten sie an einen Auftrag von der Parkverwaltung. Wir sind beeindruckt von der modernen Technologie und haben tatsächlich schon die neuen Gehwege kennen und schätzen gelernt. Er bekommt mehr Aufträge aus allen Ecken der USA, als er bearbeiten kann. Und so ist er zusammen mit seinen Mitarbeitern viel unterwegs mit dem Pickup-Truck. Stolz zeigt er uns Bilder von seinen drei Enkelkinder.  “I’m Kevin. It was great talking to you!” sagt er zum Abschied.

Ein ganz großes Highlight des Parks haben wir uns bis zum Ende aufgehoben: Der Grand Canyon of the Yellowstone. Der grösste Fluss der Region, der Yellowstone River, hat sich ein tiefes Tal durch Gestein gefressen, das durch vulkanische Aktivitäten weich und porös wurde.

Grand Canyon of the Yellowstone
Unterer Wasserfall des Grand Canyon of the Yellowstone, fotografiert vom “Artist Point”
Felsformationen am Grand Canyon of the Yellowstone
Felsformationen am Grand Canyon of the Yellowstone

Wie fast überall im Park treffen wir auch hier auf eine Gruppe von asiatischen Touristen. Bei diesen Gelegenheiten werden wir immer um unsere Dienste als Fotografen gebeten und müssen die verschiedensten Smartphone-Kameras bedienen. Dieses Mal machen wir es umgekehrt und drücken der jungen, chinesischen Frau meine Spiegelreflex-Kamera in die Hand.

Grand Canyon of the Yellowstone.
Wir stehen auf einem Beobachtungspunkt am Grand Canyon of the Yellowstone. Kann man die bittere Kälte erahnen?

Auf unseren Wanderungen sehen wir natürlich auch viele Tiere, wenn auch keine Bären. Der geschützte Yellowstone Park ist ein Rückzugsort für wilde Tiere. Wir sehen Bisons, Wölfe, Kolkraben, Streifenhörnchen und andere Tiere. Besonders beeindrucken uns die Bisons und die Elche.

Elchkuh
Elchkuh

Am Besucherzentrum am Mammuth, zwischen Hotel und General Store, hat sich ein Elchbulle mit seinem Harem niedergelassen. Völlig ungestört von Autos und Spaziergängern liegen die großen Tiere auf einer Wiese und genießen die letzten wärmenden Sonnenstrahlen des Tages.

Elchbulle mit Harem
Elchbulle mit Harem

Unsere Zeit am Yellowstone Park geht zu Ende. Den dritten Tage nutzen wir trotz eisiger Temperaturen voll aus und bleiben bis zum Sonnenuntergang. In der Abendsonne leuchtet ein heißer, dampfender Wasserlauf.

Heiße Quelle am Norris Geysir Basin
Heiße Quelle am Norris Geysir Basin im Abendlicht

Auf der Fahrt zurück zu unserem Hotel zeigt sich zum Abschied ein wundervoller und farbenprächtiger Himmel, der gut zu unserer etwas melancholischen Stimmung passt. Die Kälte auf der einen Seite und unsere Pläne für die Weiterreise auf der anderen Seite schicken uns auf den Weg – auch wenn wir gerne noch mehr Zeit im Park verbracht hätten.

Farbenprächtiger Abendhimmel zum Abschied vom Yellowstone Park
Farbenprächtiger Abendhimmel zum Abschied vom Yellowstone Park

Der Yellowstone Park ist eine einzigartige und fragile Region der Erde, die ständig in Veränderung ist. Die gleichermaßen faszinierende und bedrohliche Kraft des Erdinneren ist hier unmittelbar erfahrbar. Diese besondere Landschaft ist auf unseren Schutz angewiesen.

Going West

Es ist Zeit, dass wir uns von Lake Michigan verabschieden. Von jetzt an geht es zügig nach Westen. Vor uns liegen drei Tage Fahrt, um den Yellowstone Nationalpark zu erreichen. Die meiste Zeit werden wir der Interstate 90 (I90) folgen, eine der durchgehenden Highways, die den Kontinent von Ost nach West durchqueren.

Erst einmal führt die Strecke durch Wisconsin, eine hügelige Landschaft mit sehr vielen Seen und landwirtschaftlichen Betrieben. Die Gegend hier erinnert uns an Südschweden.

Dann erreichen wir den Mississippi, der grösste Fluss der USA, der das Land von Nord nach Süd durchläuft. Selbst hier im Norden bildet er eine breite Flusslandschaft. Wir überqueren den Mississippi über Brücken und Dämme. Leider zeigt sich das Wetter nicht von der freundlichen Seite.

Mississippi
Wir überqueren den Mississippi

Auf der anderen Seite des Fluss erreichen wir Minnesota. Hier wird das Land flacher und weiter. Wir fahren durch endlose Felder mit Mais und Getreide, und vereinzelte Höfe, die das Land bewirtschaften. Unsere Fahrt wird nur unterbrochen von kurzen Stopps für Nachschub, ein Sandwich für uns und Benzin für das Auto.

Einer der vielen Tankstopps
Einer der vielen Tankstopps. Das Auto ist durstig, aber der Sprit ist günstig.

Zur Nacht haben wir uns in einem Reisekasse schonenden Motel in der kleinen Stadt Sibley eingebucht. Hier dominiert die Landwirtschaft, und das flache Gebäude des Motels steht im Schatten von riesigen Getreidesilos. Es wird von einem älteren, indischen Paar betrieben. Wir werden sehr freundlich empfangen und mit Tipps versorgt, wo es etwas zu Essen gibt. Das Zimmer ist einfach aber sauber und hat alles, was es braucht. Außer uns wohnt hier eine Gruppe lateinamerikanischer junger Männern, die für den Aufbau einer landwirtschaftlichen Anlage hier sind. Wieder einmal kommen viele Kulturen zusammen.

Für den Abend entscheiden wir uns für das Steak-House, das unsere Gasteltern empfohlen haben: 1015 Steak Company.  Vor dem Restaurant stehen mächtige Pickup-Trucks. Diese Art von Autos fährt man, wenn man in dieser Gegend wohnt. Wir setzen uns an die Bar und werden von einer älteren Dame bedient. Als sie uns das Bier bringt, kommen wir ins Gespräch. “I am curious. Where are you guys from; and what brings you to this wasteland?” fragt sie. Wir erklären ihr, dass wir auf einer 12-Wochen USA-Tour sind. Und Sibley lag passenden für einen Zwischenstopp auf dem Weg nach Westen. Jetzt sind wir neugierig. Kommt sie aus dieser Region? Sie erzählt gerne, dass sie mit ihrem Mann eine Catering-Firma betreibt, mit der sie umliegende Feste und Veranstaltungen versorgen. Ihr Sohn, der eigentlich Jura studieren wollte (oder sollte – das wurde uns nicht ganz klar) hat vor vielen Jahren statt Studium dieses Steakhouse aufgemacht. Und vor 5 Jahren hatte er seine  Mutter angerufen. Der Mann für die Bar sei nicht mehr zum Dienst erschienen. Ob sie helfen kann? Seitdem steht sie hinter der Bar, zumindest am Wochenende. “And I am loveing it!” fügt sie schmunzelnd hinzu, voller Stolz auf das florierende Familienunternehmen. Wir plaudern noch über dies und das an diesem unterhaltsamen Abend in Sibley.

Am nächsten Tag erreichen wir South Dakota und überqueren den Missouri, den westlichen Fluss, der weiter südlich in den Mississippi mündet. Am Ufer steht ein Besucherzentrum, wo wir kurz anhalten. Hier steht die Dignity-Statue, eine 17 m hohe Figur einer Indianerin, die zu Ehren der Lakota- und Dakota-Stämme geschaffen wurde.

Dignity Statue, Chamberlain, South Dakota
Dignity Statue, Chamberlain, South Dakota

Im Besucherzentrum wird die Geschichte der Lewis und Clark-Expedition von 1806 gezeigt. Es war die erste amerikanische Überlandexpedition vom Osten bis zur pazifischen Küste. Die Expedition hatte hier an dieser Stelle zweimal das Lager aufgeschlagen. Die Expedition brauchte zwei Jahre für die Reise zum Pazifik und zurück. Trotz der Begegnung mit einigen unbekannten Indianerstämmen ist sie weitgehend friedlich verlaufen. Wir sind beeindruckt von den Exponaten und Erklärungen.

Vom Besucherzentrum aus hat man einen fantastischen Überblick über den Missouri und die Landschaft auf der anderen Seite.

Brücke über den Missouri
Brücke über den Missouri

Nach der Überquerung des Missouri fahren wir durch Prärieland, den Gras-bewachsenen Great Planes. Hier gibt es kaum noch landwirtschaftliche Nutzung. Die Höhe steigt langsam aber stetig, erst 300, dann 400 und bald 500 Meter.

Dinosaurier am Straßenrand
Dinosaurier am Straßenrand. Tatsächlich wurden in dieser Region viele fossile Skelette bei der Förderung von Kohle gefunden.

Je weiter wir nach Westen kommen, desto höher steigt die Ebene und desto einsamer werden die Strassen.

Fahrt durch South Dakota
Fahrt durch South Dakota

Nach einigen Stunden überfahren wir eine weitere Zeitzone. Wir bekommen wieder eine Stunde geschenkt und sind jetzt in der Mountains Timezone mit 8 Stunden Abstand zu Deutschland. In der Ferne tauchen inzwischen schneebedeckte Berge auf, erste Anzeichen der nördlichen Ausläufer der Rocky Mountains. Irgendwo dort wartet unsere nächste Übernachtung auf uns.

Highway in Westen von South Dakota
Highway in Westen von South Dakota. In der Ferne tauchen schneebedeckte Berge auf.

Wir sehen viele rote Felsformationen, wie wir sie von alten Western-Filmen kennen. Passend dazu weiden Viehherden auf den großen Grasflächen. Die endlose Fahrt durch die Einsamkeit und die beeindruckende Landschaft haben einen meditativen Charakter.

Rote Felsformationen mit Vieherden
Rote Felsformationen mit dazu passenden Vieherden, westliches South Dakota

Gegen Nachmittag fahren wir in eine Regenzone hinein. Mit der zunehmende Höhe wird es auch immer kälter. Das Wetter ändert sich schnell. Wir erreichen die Berge und klettern immer höher zu unserem heutigen Ziel in Hill City in etwa 1700 m Höhe. Hier kommen wir bei Schneetreiben und Temperaturen unter 0 Grad an. Zwischendurch haben wir Sorgen, ob unser Dodge den Aufstieg im Schnee schafft, aber dann klappt alles gut. Wir sind froh, als wir das Ziel erreicht haben.

Am nächsten Morgen zeigt sich wieder die Sonne, allerdings bei eisigen Temperaturen. Jetzt können wir uns Hill City in der Morgensonne anschauen: Eine kleine Bergstadt mit Western-Feeling.

Hill City
Stadt mit Western-Feeling: Hill City

Der strahlende Sonnenschein kommt gerade rechtzeitig für ein weiteres Highlight unserer Reise: das Mount Rushmore Monument. Die kurze Fahrt dorthin führt durch eine wunderschöne Bergstrecke mit herbstlichen Bäumen und dem ersten Schnee. Das farbige Laub leuchtet in der Sonne.

Herbstwald mit dem ersten Schnee bei Mount Rushmore
Herbstwald mit dem ersten Schnee bei Mount Rushmore

Und dann sehen wir schon von Weitem die Portraits der 4 Präsidenten, die in Überlebensgröße in den Fels gesprengt und gehämmert wurden. Natürlich kennen wir das Monument von zahllosen Bilder, aber die Besichtigung der Felsen in natura ist trotzdem sehr beeindruckend. Wir sind begeistert!

Monument von Mount Rushmore, South Dakota
Monument von Mount Rushmore, South Dakota. Von links: George Washington, Thomas Jefferson, Theodore Roosevelt und Abraham Lincoln

Nach dem Besuch des Monuments fahren wir wieder weiter nach Westen. Wir erreichen bald Wyoming, der bervölkerungsärmste Bundesstaat der USA. Wir fahren noch einige Stunde entlang der I90 nach Westen. Die Landschaft ist weit und kahl, die Strassen für europäischen Verhältnisse unglaublich leer. Wir bleiben durchgehend auf einer Höhe von 1500 m. Im Nordwesten von Wyoming biegen wir dann auf eine etwas kleinere Strasse ab, die durch die Berge zu unserem nächsten Ziel, der Stadt Cody, östlich vom Yellowstone Park führt. Dabei durchqueren wir den Bighorn National Forrest mit einer einsamen Passtrasse, die auf einer Höhe von 3200 m den Gebirgszug überquert. Zum Glück ist das Wetter zwar knackig kalt aber sonnig und trocken, so dass wir keine Probleme haben. Das wäre beim dem Wetter gestern viel schwieriger geworden.

Passtrasse durch den Bighorn National Forrest
Passtrasse über den Bighorn National Forrest auf 3200 m Höhe bei -10 Grad und viel Einsamkeit. Jetzt bloß keine Reifenpanne …

Müde von der langen Fahrt, der Kälte und der Höhenluft erreichen wir Cody, eine Stadt mit 9000 Einwohnern. Von hier sind es noch 50 Meilen bis zum East-Gate des Parks. Das Stadtbild von Cody erinnert an den Wilden Westen. Eine Hauptstraße mit Geschäften und Restaurants, einige davon mit Fassaden, die aus alten Filmen stammen könnten. Ein Hotel und Restaurant, das im Saloon-Stil eingerichtet ist. Irgendwie sympathisch. Wir finden schnell einen Ort zum Essen. Morgen geht es dann endlich in die Natur des Yellowstone Parks.

Wir sind froh, dankbar und fühlen uns behütet, dass die Reise von Ost nach West bis hierher so gut geklappt hat. Und sind sehr gespannt auf die nächsten Tage in der Natur.

Die Reiseroute bis Cody, Wyoming
Die Reiseroute bis Cody, Wyoming

Sheboygan

Nach den vielen Eindrücken in Chicago brauchen wir eine Pause. Wir suchen uns einen Ort im Norden an der Westküste von Lake Michigan, Sheboygan, eine kleine Stadt mit etwa 50’000 Einwohnern an einer Flussmündung in den See. Dort buchen wir zwei Übernachtungen. Die Fahrt dorthin führt am Seeufer entlang nach Norden, vorbei an Milwaukee. Hier ist der Motorradhersteller Harley-Davidson zu Hause. Dann werden die Strassen leerer und die Orte kleiner. Schließlich erreichen wir unser neues Domizil.

Das Wetter ist gemischt, warm aber immer wieder durchsetzt von Regen. Wir verleben einen entspannten Tag in diesem Ort mit Spaziergängen am Yachthafen, Abendessen in einem netten italienischen Restaurant Luigi, und amerikanischen Filmen im Fernsehen.

Bei unseren Spaziergängen bleiben wir vor einem kleinen Film-Theater stehen und schauen, ob es Tickets gibt. Leider ist für unseren einzigen Abend in der Stadt keine Veranstaltung auf dem Programm. Schade!

Sheboygan Theater #wikicommons
Sheboygan Theater #wikicommons

Während wir das Programm anschauen, werden wir von einer Frau angesprochen. Sie sieht sofort, dass wir fremd sind und möchte uns gerne das Theater zeigen. Wir sind etwas überrascht aber lassen uns darauf ein. Dann kommt etwas Erstaunliches: Das Sheboygan Center for the Performing Arts ist ein historisches Theater von beeindruckenden Dimensionen. Ein wunderschön gestalteter Eingangsbereich öffnet sich in einen sehr großen Saal mit fantastischen Dekorationen. Die Decke zeigt sich als blauer Himmel mit Sternbildern. Man fühlt sich versetzt auf eine Piazza in Italien oder Spanien. Dieses Theater würde ohne Zweifel an den New Yorker Broadway passen. Das Theater wird von einem gemeinnützigen Verein betrieben, der sich erfolgreich um Shows, Konzerte und Theatergruppen bemüht. Niemand würde einen Veranstaltungsort dieser Dimensionen in einer kleine  Stadt wie Sheboygan vermuten. “This theater is a well kept secret!” erklärt unsere Führerin voller Stolz. Dem können wir nur zustimmen.

Und es gibt noch mehr überraschende Kunst in Sheboygan. Das John Michael Kohler Arts Center ist eine Kunsthalle und Galerie, die sich zur Aufgabe macht, unbekannte Künstlern zu zeigen und Kurse für interessierte Menschen anzubieten. Wir sahen Ausstellungen von eigenwilligen Künstlern, z.B. die nach unserer Ansicht recht schräge Mythologie von Eugene von Bruenchenhein. Es brachte uns zum Nachdenken.

John Michael Kohler Art Center, Sheboygan
John Michael Kohler Art Center, Sheboygan

Wir genießen den Tag am See als eine willkommene Pause und bereiten unsere weitere Reise nach Westen vor. Bald mehr davon.

Entspannte Pause am Lake Michigan
Entspannte Pause am Lake Michigan