Nun ist es soweit: Unser Road-Trip durch die USA kommt langsam zu Ende. Wir machen uns auf den Weg, den letzten National Park auf unserer Liste zu besuchen, Yosemite an den Hängen der Sierra Nevada.
Die Fahrt vom Sequoia zum Yosemite Park dauert knapp 3 Stunden und führt noch einmal ein Stück nach Norden durch die kalifornische Tiefebene. Wir sehen sehr trockenes Land, das hauptsächlich mit Vieh bewirtschaftet wird. Ein Werbebanner kennzeichnet die große, schwarze Tiere als die berühmten kalifornischen Angus-Rinder. Wasser gibt es nur an ausgewählten Stellen um die Höfe herum oder an Viehtränken. Wir sehen Schilder an der Straße, die von den Farmern aufgestellt wurden: “Pray for Rain!” und “Invest in Water Reservoirs!”

Zur Übernachtung haben wir uns ein Motel in Mariposa gewählt, eine Stadt, die durch Goldgräber groß geworden ist. Heute wird sie von Touristen wie uns als Startpunkt für den Yosemite-Park angesteuert. Passenderweise heißt unsere Herberge Miners Inn.
Der Yosemite-Park bietet eine abwechslungsreiche Landschaft aus beeindruckenden Granit-Felsen, Wasserfällen, Wiesen und Wäldern. Im zentralen Tal, wo das Besucherzentrum liegt, herrscht großer Andrang. Offensichtlich genießt dieser Park hohe Popularität. Unsere Wanderung führt entlang dem Merced-River durch wunderschöne Wiesen mit herrlichen Herbstfarben.

Auch im Yosemite Park gibt es Sequoia-Bäume, obwohl sie etwas kleiner und nicht so majestätisch sind, wie wir es im Sequoia-Park erlebt hatten. Das ändert aber nichts am Reiz dieser wunderschönen Bäume.

Dann beginnt der Anstieg zu den Wasserfällen. Es ist ein durchaus anstrengendes Stück, das vor uns liegt. Während es im Tal noch sehr viele Mit-Wanderer gibt, wird deren Zahl jetzt stetig geringer. Schließlich erreichen wir die beeindruckenden Vernal-Falls. Das Wasser rauscht mit lautem Getöse in die Tiefe. Im November gibt es relativ wenig Wasser. Um wieviel heftiger wird es hier im Frühjahr tosen?

Der Weg führt uns weiter über eine hoch gelegene Kuppe und dann in vielen Schleifen wieder hinab zum Ausgangspunkt. Vom höchsten Punkt haben wir einen guten Blick auf den mächtigen Half Dome, ein runder Felsen mit einer flachen Kante quer durch die Mitte.

Der Tag im Yosemite-Park hat uns erfüllt, aber auch Kräfte gezehrt. Wieder zurück in Mariposa besuchen wir hungrig ein Pub. Dort setzen wir uns an die Bar und lassen uns vom freundlichen Barkeeper die lokalen Biersorten empfehlen und ein leckeres Angus-Steak servieren. Wie so oft kommen wir ins Gespräch mit anderen Bar-Besuchern. “Where are you guys from?” ist eine häufig gestellte Frage. Wir erfahren, dass der Ort Mariposa vor zwei Monaten wegen den Waldbränden komplett evakuiert werden musste. Zum Glück ist nicht viel passiert, und alles geht wieder seinen geordneten Gang. Trotzdem sitzt den Menschen der Schreck in den Knochen. Ein junger Mann neben uns sagt, dass die Position des amerikanischen Präsidenten zum Klimawandel absoluter Blödsinn ist. Man kann die Auswirkungen in Kalifornien überall sehen. Und überhaupt setzt er die Prioritäten völlig falsch. Absolut notwendige Investitionen in Infrastruktur werden abgesagt. Statt dessen fließt das Geld ins Militär. Astrid gibt zu bedenken, dass der Präsident offensichtlich von vielen gewählt wurde. “I didn’t vote for him!” sagt unser Nachbar. Zustimmendes Nicken kommt von anderen an der Bar. Der junge Mann legt nach: Alle Menschen rasen gemeinsam auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen durch ein lebensfeindliches Weltall. Wie kann es da überhaupt soviel nationalistisches Denken geben? Wir stimmen ihm vollständig zu. Ich erinnere mich an das Video, das wir im Science-Museum in Philadelphia gesehen haben. Es zeigt die Erde aus der Perspektive der internationalen Raumstation. Ein Video, das uns bewegt hat. Die Gespräche an diesem Abend passen gut zu den wunderschönen Landschaften, die wir in den letzten Monate gesehen haben, und der allgegenwärtigen Sorge, dass diese einzigartigen Rückzugsorte der Natur unter dem Einfluss des Menschen weiter Schaden nehmen. Als der Abend zu Ende geht, werden zum Abschied wieder Hände geschüttelt.
Auch den nächsten Tag verbringen wir noch im Yosemite-Park und machen eine Wanderung um den Mirror-Lake. Wir nehmen Abschied von unseren Besuchen der National Parks und hoffen, dass wir einmal wiederkommen können. Und dann sehen wir tatsächlich doch noch einen Bären, der durch den Wald streift. Es ist ein Schwarzbär auf der Suche nach Nahrung. Die Bären im Yosemite-Park sind nicht gefährlich. Wir lassen das Bärenspray stecken und beobachten ihn aus der Ferne, bis er seiner und wir unserer Wege gehen.
