Chicago

Die Fahrt um die Südspitze von Lake Michigan führt durch viel Industrie: Kraftwerke und Werke der darbenden amerikanischen Stahlindustrie. Der Anblick ist nicht schön, und wir fahren zügig weiter. Beim Wechsel von Michigan nach Indiana queren wir eine Zeitzone. Die Uhr am Handy stellt sich wie von Geisterhand eine Stunde zurück. Jetzt sind wir 7 Stunden hinter Deutschland hinterher.

Chicago, die drittgrößte Stadt der USA, liegt im anschließenden Bundesstaat Illinois und begrüßt uns schon von weitem mit der Skyline. Wir haben uns zwei Tage Zeit für diese Stadt genommen, was natürlich viel zu wenig ist, um sie wirklich kennen zu lernen.

Unser erster Spaziergang führt in die vielen Parks am Seeufer. Chicago hat schon früh verfügt, dass das Land am Ufer von Lake Michigan dem Volk zur Verfügung stehen soll. So gibt es hier eine Reihe von sehr schönen Parks, die mit sportlichen Attraktionen, zum Beispiel Boulder-Kletterwände und Jogging-Trails, und verschiedenen Kunstobjekten aufwarten. Wir treffen ein älteres Paar, das uns nach dem Weg zur Bean, der Bohne, fragt. Das wissen wir leider nicht. Aber wir könne ihre Frage nach dem Millennium-Park beantworten, befindet sich der Park doch auch auf unserer to-do-Liste. Wie überall in den USA kommen wir schnell ins Gespräch. “Where are you guys from?” hören wir oft in diesen Tagen. Es stellt sich heraus, dass der Mann deutscher Abstammung ist. Er wechselt ins Deutsche und erzählt, dass sein Onkel am Bau der Wuppertaler Schwebebahn beteiligt war. Auf die Gegenfrage wo sie her kommen, antworten sie Virginia. Wir müssen zugeben, dass wir im Moment etwas überfordert sind, die amerikanischen Bundesstaaten korrekt zuzuordnen.

BP Pedestrian Bridge
BP Pedestrian Bridge, verbindet den Maggie Daley Park mit dem Millennium Park

Der Weg zum Millennium-Park führt über eine wunderschön gestaltete Fußgängerbrücke über eine mehrspurige Schnellstraße. Im Park bestaunen wir den Jay Pritzker Musik-Pavillion, eine Anlage, die bis zu 11’000 Zuschauer auf einer Open-Air-Fläche mit ausgefeilter Akustik beschallen kann.

Jay Pritzker Musikpavillon
Jay Pritzker Open-Air Musikpavillon. Unzählige Lautsprecher sind an dem Gerüst befestigt.

Und dann treffen wir auch auf die Bean. Sie heißt eigentlich “Cloud Gate” und ist eine voll-verspiegelte Skulptur in der Form einer überdimensionalen Bohne. In ihr spiegelt sich die Skyline von Chicago. Der Platz ist ein Touristen-Magnet.

The Bean im Millennium-Park
The Bean im Millennium-Park

Das Kunstobjekt bietet eine Menge verzerrte Perspektiven und eignet sich natürlich ganz hervorragend für Selfies.

Selfie mit Bohne
Selfie mit Bohne

Noch ein anderes Kunstobjekt im Millennium-Park hat uns beeindruckt: Beim Crown Fountain, dem Kronen-Brunnen, fließt das Wasser begleitet von Video- und Lichteffekten an zwei Türmen aus Glasbausteinen herab. Dort werden wechselnde Gesichter von Bürgern aus Chicago gezeigt.

Crown Fountain mit Video-Installation
Crown Fountain mit Video-Installation

Kunst ist ein großes Thema in dieser Stadt. Da sich der Himmel zunehmend bewölkt, nutzen wir die Zeit für einen Besuch im Arts Institute of Chicago, wo es zeitgenössische Werke zu sehen gibt. Wir verbringen viele Stunden im Museum und nehmen eine Menge neuer Eindrücke mit. Es ist ein helles und weit verzweigtes Gebäude auf 3 Ebenen. Nach all der Kunst erscheint uns eines der Treppenhäuser mit Besuchern auf verschiedenen Ebenen wie ein lebendiges Kunstwerk.

Arts Institute of Chicago
Arts Institute of Chicago

Im Zentrum der Stadt befindet sich die Loop, hochgelegte Nahverkehrszüge, die ringförmig durch die Stadt fahren. Diese Region erschließen wir uns mit ausgiebigen Spaziergängen. Es ist ein quirliges Quartier mit vielen Banken, Börsen, Geschäften und Restaurants.

Blick vom Millennium Park in das Stadtzentrum.
Blick vom Millennium Park in das Stadtzentrum. Die Hochbahn “Loop” spannt sich über die Strasse.

Dazwischen finden sich einige Skulpturen namhafter Künstler. Uns hat besonders der “Flamingo” von Alexander Calder gefallen. Aber auch Skulpturen von Picasso, Miro und anderen Künstler sind zu sehen.

Calders Flamingo im Zentrum Chicagos
Calders Flamingo im Zentrum Chicagos

Am Besucherzentrum treffen wir zufällig das Paar aus Virginia wieder. Es gibt einen beidseitigen Austausch. “Was habt ihr unternommen?” Die Ideen fliegen hin und her. So bekommen wir den Tipp zu einer Architektur-Bootsfahrt auf dem Chicago River. Chicago ist als Handelszentrum mit Knotenpunkten für Schiffs- und Eisenbahnverkehr groß geworden. Der Fluss spielt dabei eine wichtige Rolle. Er ermöglicht dem Schiffsverkehr den Zugang zu Lake Michigan und über die Seen und Kanäle eine Anbindung an den Atlantik.

Chicago River
Chicago River mit 24 Zugbrücken

Viele Brücken überspannen den Fluss. In den letzten Jahren hat die Stadt den Chicago Riverwalk fertig gestellt, der öffentlich zugänglichen Raum am Wasser geschaffen hat mit vielen Sitzgelegenheiten, kleinen Parks und Restaurants.

Chicago hat eine enorme Dichte von Hochhäusern, die im Laufe der letzten 100 Jahre entstanden sind. Die Bootstour wird begleitet von sachkundiger Erklärung der verschiedenen Baustile. Es wird deutlich, wie sehr sich die Stadt im Laufe der Jahre gewandelt hat und auch immer noch im Wandel ist. Das höchste Gebäude in Chicago, der Willis Tower, steht natürlich im Wettstreit mit New York. Das One World Trade Center in New York ist etwas höher, was aber – so wird uns berichtet – durch technische Anlagen für die Antennen begründet ist. Tatsächlich hat der Willis Tower die höhere Besucherplattform und beansprucht damit den eigentlichen (!) Titel des höchsten Gebäudes der USA. Astrid und ich halten uns aus dem Streit heraus und sind in jedem Fall von der Skyline und der Vielfalt der Architekturen beeindruckt.

Chicago Sykline #cafcruise #cruisechicago
Chicago Sykline mit dem Willis Tower in der Mitte. #cafcruise #cruisechicago

Wir beenden unsere Tour durch die Stadt mit einem Happy Hour-Drink in der Walnut Bar von Macy’s, einem der großen Kaufhäuser Chicagos. Hier ist eine wunderschöne und ehrwürdige Bar, die vollständig in Walnuss-Holz gestaltet ist.

Walnut Bar im Macy's
Getränke-Palette in der Walnut Bar im Macy’s

Am Ende unserer Zeit in Chicago statten wir dem Science und Technology Museum einen Besuch ab. Unter anderem wird dort ein deutsches U-Boot aus dem 2. Weltkrieg ausgestellt, dass die Amerikaner erbeutet hatten, ohne es zu versenken. In Kriegszeiten wurde die Technologie des Bootes natürlich ausgiebig  untersucht und war ein streng gehütetes Geheimnis. Es ist schön zu sehen, dass diese Zeiten endgültig vorbei sind. Wir kommen ins Gespräch mit älteren Herren, Volunteers, die selber U-Boot-Erfahrung haben und den Besuchern gerne die Details erklären.

Schließlich schauen wir uns noch eine Ausstellung über mathematische Formen in der Natur an und verlieren uns dabei beinahe in einem Spiegelkabinett.

Spiegelkabinett im Museum of Science and Industry
Spiegelkabinett im Museum of Science and Industry

Chicago ist eine tolle Stadt mit sehr vielen Eindrücken. Auch wenn unser Herz mehr für New York schlägt, schon weil es uns vertrauter ist und am Meer liegt, so hat Chicago enorm viel zu bieten und mit der Lage am Fluss und dem See eine schöne Atmosphäre. Wir kommen bestimmt einmal wieder!

Dann ist es Zeit, dass wir uns auf den Weg machen, der uns weiter führt nach Norden in den Bundesstaat Wisconsin. Wir werden einen kurzen Halt am Westufer des großen Sees machen und dann weiter fahren nach Westen, wo der Yellow Stone Park unser nächstes Ziel ist.

Unterwegs nach Wisconsin
Unterwegs nach Wisconsin

 

 

 

 

 

New Buffalo und Lake Michigan

Zwei lange Fahrtage von New York entfernt ist unser nächstes Ziel das Ostufer von Lake Michigan, einem der 5 großen Seen im Norden der USA. Wir finden eine Unterkunft in dem kleinen Ort New Buffalo, direkt an der Grenze zwischen den Bundesstaaten Michigan und Indiana. Es ist ein ruhiger Ferienort, einer von vielen an der Küste, mit einem kleinen Yachthafen, Restaurants und kleinen Shops.

Noch am Abend unserer Ankunft besuchen wir den Strand. Lake Michigan ist ein Binnensee, allerdings mit anderen Ausmassen als wir es von Europa kennen. Der See hat eine Länge von 494 km, und seine Fläche ist größer als die der Schweiz. Als wir ankommen offenbart sich ein weiter Blick in die Ferne, ohne dass man das andere Ufer erkennen kann. Es ist ein windiger Abend, und das Wasser rollt mit heftigen Wellen an den Strand.

Sandstrand in New Buffalo
Sandstrand in New Buffalo

Es sind unglaubliche Farben! Hier fühlt es sich an wie am Meer, allerdings ein Meer mit Süßwasser.

Unglaubliche Farben in der Abendsonne am See
Unglaubliche Farben in der Abendsonne am See

Wir erleben einen herrlichen Sonnenuntergang über dem windigen See. Der Himmel leuchtet rot, und ganz in der Ferne kann man die Hochhäuser von Chicago erkennen. Es gefällt uns hier so gut, dass wir uns spontan entschließen, ein paar Tage zu bleiben.

Sonnenuntergang in New Buffalo
Sonnenuntergang in New Buffalo. Sturm und Wasser brechen sich an der Mole des Hafens. In der Ferne schauen die höchsten Gebäude von Chicago über den See.

Es gibt am Ufer einige State Parks, in denen die ursprüngliche Dünen-Landschaft erhalten wurde. Die Parks sind gut erschlossen für Wanderer und Naturliebhaber. Im Besucherzentrum werden wir gerne beraten und mit Kartenmaterial versorgt. Wir unternehmen ausgiebige Dünen-Spaziergänge. Unsere Schrittezähler bekommen wieder viel zu tun!

Indiana Dunes National Lakeshore Park
Indiana Dunes National Lakeshore Park

Der Weg führt durch die Pinienwälder hindurch und erreicht immer wieder den Strand, von wo aus man in der Ferne am gegenüberliegenden Ufer die Skyline von Chicago erkennen können.

Chicago Skyline am anderen Seeufer
Chicago Skyline am anderen Seeufer, herangeholt mit dem Teleobjektiv

Vor der Industrialisierung war das Ufer durchzogen von Sümpfen, die inzwischen aber fast überall trocken gelegt wurden. An einigen Stellen wurden State Parks angelegt, um die Marschlandschaft zu erhalten. Aufwendige Holzstege machen die Landschaft begehbar. Es sind verwunsche Pfade, die sich zwischen Bäumen, Büschen und Schilfpflanzen durch die Sümpfe schlängeln.

Marschlandschaft im Galien River County Park
Marschlandschaft im Galien River County Park

Wir verbringen viel Zeit in der Natur und den schönen Landschaften und genießen noch oft die Abendstimmung am See.

Abendstimmung am Waren Dunes State Park
Abendstimmung am Waren Dunes State Park

Bei all der Freude an der Natur sehen wir aber auch viel Armut. Während das Ufer dominiert ist von wohlhabenden Ferienorten, finden wir im Hinterland viele Anzeichen einer strukturschwachen Region: kleine, zum Teil verfallene Häuser, in denen immer noch Menschen leben, und Reste von Industriebetrieben, die offensichtlich verlassen wurden und als Ruinen stehen bleiben.  Die Spanne zwischen arm und reich erstreckt sich hier über einen schmalen Streifen.

Inzwischen planen wir schon die Weiterreise. Der nächste Abschnitt wird uns um die Südspitze des See herum nach Chicago führen, das etwa anderthalb Autostunden von New Buffalo entfernt ist.